Ein Gastbeitrag von Invest in Visions, dem Mikrofinanzpartner des Triodos Impact Portfolios. 

Die Verringerung von Ungleichheit als eigenes Ziel wurde in den 2015 verabschiedeten „Sustainable Development Goals“ (SDGs) der Agenda 2030 der Vereinten Nationen aufgenommen, was im Vorgängerprogramm, den „Millennium Development Goals“, nicht der Fall gewesen war. Zudem spielt die Förderung benachteiligter Menschen durch das übergeordnete Motto der SDGs – „Leaving no one behind“ – auch in alle anderen Nachhaltigkeitsziele mit hinein.

SDG 10 - Verringerte Ungleichheiten

Das UN-Ziel "Verringerte Ungleichheiten" trägt unterschiedlichen Dimensionen von Ungleichheit Rechnung – in Bezug auf Einkommen, Chancen, politische Rechte und wirtschaftliche Teilhabe. Zudem wird sowohl die Ungleichheit innerhalb als auch zwischen Ländern berücksichtigt.

Wie wird innerstaatliche Einkommensungleichheit eigentlich gemessen? Dafür gibt es verschiedene Ansätze. Das am häufigsten verwendete Maß ist der „Gini-Index“ (benannt nach dem italienischen Ökonomen Corrado Gini), der die Daten zur Einkommensverteilung einer Lorenzkurve1 in einem einzigen Wert zusammenfasst und auf einer Skala von 0 bis 100 anzeigt. Bei einem Wert von 0 herrscht vollkommene Gleichheit (das Einkommen ist unter allen Personen eines Landes gleich verteilt), bei 100 maximale Ungleichheit (eine einzelne Person verfügt über das gesamte Einkommen). Um einige Beispiele zu nennen: Deutschland hat einen Gini-Koeffizienten von 31,9; Frankreich von 31,6; Mexiko von 45,5; Brasilien von 53,9; Indien 37,8 und Sambia von 57,1.2

Der Gini-Koeffizient hat den Vorzug, Ungleichheit synthetisch in einer einzigen Größe zusammenzufassen und zu veranschaulichen. Aus demselben Grund kann er aber auch nicht zeigen, welche sozialen Gruppen die Ungleichheit maßgeblich bestimmen und welche Veränderungen in einem Zeitraum diesbezüglich stattgefunden haben. Dafür muss man wiederum den Anteil bestimmter Gruppen am Nationaleinkommen messen. Diese Methode verfolgen beispielsweise die Autoren des World Inequality Reports,3 zu denen auch der französische Ökonom Thomas Piketty gehört, der durch seine These von einer dem Kapitalismus inhärenten Tendenz zur Verstärkung von Ungleichheit eine intensive Debatte ausgelöst hat.4 Die letzte Ausgabe des World Inequality Reports ist 2018 erschienen, die nächste soll Ende dieses Jahres folgen. Besonders interessant ist dabei: Die zur Erstellung des Berichts verwendeten Daten sind im Internet auf der Website WID.world frei verfügbar. Der Nutzer kann sie zu verschiedenen Ländern und Regionen abrufen und graphisch darstellen lassen.5

Für Mexiko lässt sich beispielsweise beobachten, dass die obersten 10 Prozent einen Anteil von fast 60 Prozent des Nationaleinkommens auf sich vereinen, während die unteren 50 Prozent der Bevölkerung lediglich 8,5 Prozent erhalten. Der Anteil der mittleren 40 Prozent liegt bei 33 Prozent und damit nur wenig über dem Teil, den das oberste Prozent auf sich vereinen kann (28,7 Prozent). Die in Mexiko wie auch in vielen anderen lateinamerikanischen Ländern herrschende Ungleichheit kommt bei einer solchen Darstellung deutlich zum Vorschein – besonders dann, wenn man den Abstand der roten (obere 10 Prozent) von der blauen Linie (untere 50 Prozent) betrachtet.

Invest in Visions, Daten von WID World 2021

Wie hat sich die weltweite Ungleichheit innerhalb der Länder in den vergangenen Jahren entwickelt?

Wie diese Frage beantwortet wird, hängt von mehreren Elementen wie der gewählten Methode, der Art der Datenerhebung und der Qualität der verwendeten Daten ab. Bei einer Anwendung des Gini-Koeffizienten ergibt sich im Allgemeinen das Bild, dass sich in vielen Ländern die Ungleichheit zwar verringert hat, das Niveau in manchen Regionen wie beispielsweise Lateinamerika jedoch weiterhin sehr hoch ist.6 Piketty und andere hingegen gehen von einer steten Annahme von Einkommensungleichheit in den meisten Weltregionen aus.

Um beim Beispiel Mexiko zu bleiben: Betrachtet man die Entwicklung des Gini-Koeffizienten, so ist dieser nach Angaben der Weltbank im Zeitraum von 2000 bis 2018 von 52,6 auf 45,4 gesunken.7 Keine Abnahme, sondern eine Zunahme von Ungleichheit ergibt sich für den gleichen Zeitraum hingegen, wenn man die Daten des World Inequality Lab heranzieht (s. Graphik). Während der Anteil der unteren 50 Prozent konstant niedrig geblieben ist, konnten die oberen 10 Prozent einen Zugewinn von mehr als 5 Prozent erzielen. Zudem haben sich der Anteil der mittleren 40 Prozent und der des obersten Prozentpunktes stark angenähert.

Eine eindeutige Meinung gibt es indes bezüglich der Auswirkungen der Corona-Krise. Hier sind sich alle einig, dass diese bereits bestehende Ungleichheiten noch einmal verstärkt hat. Darauf weisen internationale Institutionen wie die Weltbank oder der Internationale Währungsfonds (IWF) seit Ausbruch der Pandemie immer wieder hin. Dies liegt vor allem daran, dass die meisten Arbeiten, die von Arbeiter:innen in unteren Einkommenskategorien und gerade im informellen Sektor erledigt werden, persönliche Nähe verlangen und daher nicht im Schutz des Homeoffice ausgeübt werden können.

1 Die Lorenzkurve, entwickelt zu Beginn des vorigen Jahrhunderts von Max Otto Lorenz (1876-1959), stellt statistische Verteilungen - z.B. von Einkommen - graphisch dar und zeigt dabei das Maß an Ungleichheit innerhalb der Verteilung an.

2 Human Development Reports (undp.org).

3 Alvaredo, Facundo; Chancel, Lucas; Piketty, Thomas; Saez, Emmanuel; Zucman, Garbriel: Die weltweite Ungleichheit. Der World Inequality Report 2018, München: C.H. Beck 2018.

4 Siehe Thomas Piketty, Das Kapital im 21. Jahrhundert. München: C.H. Beck 2014.

5 Home - WID - World Inequality Database.

6 Siehe z.B. den „SDG-Report“ für das Jahr 2020, hier abrufbar.

7 Gini index (World Bank estimate) - Mexico | Data

 

 

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