Im Interview erklärt Anita Beblek, Geschäftsführerin vom Projektkoordinator, dem Unternehmen agrathaer GmbH, worum es beim P2GreeN geht, welches die größten Herausforderungen sind und was genau in dem Projekt geplant ist.

„Reduce, Reuse, Recover“ ist das Motto des Projekts P2GreeN, das einen Paradigmenwechsel von einem „linearen“ Ressourcen- und Nährstoffsystem in der Agrar- und Lebensmittelversorgungskette hin zu einem Kreislaufsystem anstrebt. Ziel ist es die Stickstoff- und Phosphorbelastung durch die Verbindung von blauer städtischer und grüner ländlicher Infrastruktur zu reduzieren. Dieses Ziel wird durch die Umsetzung und Erforschung innovativer Lösungen zur Rückgewinnung von Stickstoff und Phosphor aus menschlichen Sanitärabfällen und deren Umwandlung in sichere, biobasierte Düngemittel für die landwirtschaftliche Produktion erreicht.

Triodos Redaktion: Was bedeutet der Übergang von einem linearen zu einem zirkulären Nährstoffsystem in der Landwirtschaft?

Anita Beblek

Anita Beblek: Ein zirkuläres Nährstoffsystem bedeutet, dass sanitäre Abfallströme für die Landwirtschaft wiedergenutzt werden. Durch neue innovative Technologien werden sie zu Düngemittel gemacht. Daraus wird dann ein Kreislauf, mit dem wir gleich zwei Probleme lösen können: einen Überschuss von Stickstoff, der negative Umwelt-Auswirkungen hat beseitigen und einen Mangel an Phosphor, der wesentlich für die Landwirtschaft ist, verringern. 

Welche Auswirkungen haben diese beiden Probleme auf die Umwelt?

Der Stickstoffüberschuss führt dazu, dass diese Nährstoffe über den Regen entweder in das Grundwasser oder in die Gewässer ausgewaschen werden und dies wiederum zur Folge hat, dass die Gewässer mit einer Menge Stickstoff überdüngt werden. Dies hat mehrere negative Auswirkungen auf die Umwelt, wie zum Beispiel eine Beeinträchtigung der biologischen Vielfalt.

Das Problem mit Phosphor ist nicht, dass er schädliche Auswirkungen auf die Umwelt hat, sondern dass er eine endliche Ressource ist, die für das Pflanzenwachstum wesentlich ist. Die Verschwendung von Phosphor könnte zu seiner Erschöpfung führen, was zu einer globalen Krise führen könnte, da die Ernährungssicherheit gefährdet sein könnte. Deswegen müssen wir überlegen, wie wir Phosphor wiedergewinnen können.

Deutschland wurde zusammen mit Schweden und Spanien als Pilotregionen ausgewählt, warum?

In Schweden haben wir mehrere Start-ups und SLU, eine Forschungsorganisation, die sich seit mehreren Jahren mit diesem Thema beschäftigen und bereits mit einer Pilotanlage arbeiten, mit denen man auch eine Hochskalierung testen kann, um in größeren Maßstäben arbeiten zu können. In Deutschland, weil wir hier ein großes Stickstoff-Überschuss-Problem haben, unter anderem in der Region Hamburg-Hannover, in der viele Flächen intensiv landwirtschaftlich genutzt werden, kommt es zu einer starken Eutrophierung von Gewässern. Und in der Region Malaga in Spanien, die auch intensiv landwirtschaftlich genutzt wird und in der seit Jahren Wasserknappheit herrscht. Die Landwirtschaft hat dort über die letzten Jahre mehr Wasser verbraucht als zur Verfügung stand.

Wir haben also drei verschiedene landwirtschaftliche Ansätze, bei denen wir versuchen wollen, die verschiedenen Technologien angepasst an die Bedingungen zu testen. Auch weil wir sehen wollen, ob das Konzept dieser Ressourcennutzung letztlich auch für ganz Europa angewendet werden kann.

Was sind diese innovativen Technologien, die die Durchführung des Projekts ermöglichen?

Das Besondere an diesem Projekt ist, dass wir einen Systemwechsel vollziehen. Das bisherige System ist so, dass wir letztendlich die Nährstoffe mit der Kanalisation erstmal in Klärwerke spülen. Dort wird mit viel Mühe und Energie versucht, diese verschiedenen Stoffe wieder voneinander zu separieren. Das Innovative an dem Projekt ist, dass wir einen ganz anderen Ansatz haben, nämlich dass die Stoffe gar nicht mehr über die Kanalisation abgeleitet werden, sondern dass sie direkt dort, wo sie anfallen – konkret: direkt in den Toiletten – so separiert werden, dass man sie direkt weiter nutzen kann, ohne dass man dafür große Mengen Wasser und Energie benötigt. Folglich auch ohne dass große Mengen Abwasser entstehen und so, dass menschlichen Ausscheidungen direkt in technisch innovativen Verfahren zu natürlichem Dünger für die Landwirtschaft veredelt werden

Das ist der innovative Ansatz: Weg von einem Infrastruktursystem, das quasi End-of-Pipe ist, hin zu einem System, das diese Stoffe direkt voneinander trennt und damit in einen Zustand versetzt, in dem sie tatsächlich für die Landwirtschaft genutzt werden können.

Die Einführung neuer Technologien in großem Maßstab ist oft mit mehreren Herausforderungen verbunden. Was sind die größten Herausforderungen, die das Projekt bewältigen muss?

Sie liegen in drei Bereichen. Zum einen in den regulatorischen Rahmenbedingungen in Europa. Grundsätzlich ist es so, wenn wir Düngemittel in die Landwirtschaft einbringen wollen, dann brauchen wir entweder Genehmigungen oder es muss grundsätzlich gesetzlich erlaubt sein. Im Moment ist es in Europa so, dass Düngemittel, die aus menschlichen Ausscheidungen hergestellt werden, nicht überall in der europäischen Landwirtschaft verwendet werden dürfen. In vielen Ländern gibt es dafür noch keine Regelung und deshalb ist es eine große Herausforderung, diesen Rahmen zu schaffen, damit die Systeminnovation auch in ganz Europa eingeführt werden kann.

Die zweite große Herausforderung ist die Akzeptanz, sowohl in der Landwirtschaft als auch bei uns Bürgern. Das Sanitärverhalten, das wir bisher kennen- in Form der klassischen Spültoilette, wird sich ändern müssen. Und das ist natürlich eine Frage der sozialen Akzeptanz.

Drittens benötigen Systeminnovationen, wie sie in P2GreeN entstehen, erhebliche finanzielle Investitionen.

Wie können diese Herausforderungen bewältigt werden?

Wir werden im Rahmen des Projektes zum einen versuchen, mit verschiedenen Experten aus dem Rechtsbereich einen EU-weiten Rahmen für eine Regulierung zu schaffen. Dieser Rahmen soll über EU-weite Regelungen in allen EU-Mitgliedsstaaten umsetzbar sein.

Der zweite Punkt: die soziale Akzeptanz. Dazu gibt es verschiedene Aktivitäten, bei denen wir das Konzept vorstellen wollen. Wir wollen dort die Hürden für eine breite Akzeptanz bei allen Beteiligten erfassen und aufnehmen. Aus den Erkenntnissen werden wir Tools entwickeln, die mithilfe von Simulationen den Nutzen zum Teil auch spielerisch aufzeigen.

Drittens wir werden Business- und Finanzierungsmodelle entwickeln, die eine Hochskalierung der technischen Lösungen ermöglichen werden.

Was können interessierte Menschen tun, die keine aktive Rolle im Projekt spielen? Wie können sie dazu beitragen?

Sie können dazu beitragen, indem sie darüber nachdenken, wie sie in Zukunft leben wollen und jetzt Angebote für diese zirkuläre Sanitärversorgung wahrnehmen. Sie können auch die Lebensmittel kaufen, die mit dieser Art von Dünger gedüngt werden. Natürlich hat der Verbraucher eine große Marktmacht, und wenn die Akzeptanz solcher Lebensmittel bei den Verbrauchern steigt, wird auch das Helfen. Der dritte Punkt ist, die politisch Verantwortlichen darauf aufmerksam zu machen, dass das derzeitige System so nicht fortbestehen kann. Die Politiker müssen auch dazu ermutigt werden, den notwendigen rechtlichen Rahmen zu schaffen.

Die Rolle von Triodos

Aus dem Konsortium von 32 Partnerorganisationen, beteiligt sich die Triodos Bank als einzige Finanzorganisation an dem Projekt. Neben den wissenschaftlichen und technischen sowie den gesetzlichen Herausforderungen, kümmert sich die Triodos Bank darum wirtschaftliche Fragestellungen zu klären und übertragbare Finanzierungskonzepte am Beispiel der drei Pilotregionen zu entwickeln.