Überhöhte Gehälter von Vorstandsvorsitzenden sind in den letzten Jahren verstärkt in die Kritik geraten. Und doch hat sich hier trotz der öffentlichen Aufmerksamkeit nichts geändert. Im Gegenteil. Steigende Managergehälter tragen weiter zu einer wachsenden Einkommens- und Vermögensungleichheit innerhalb der Länder bei. "Das ist besorgniserregend – aus ethischer Sicht, und auch, weil die zunehmende Ungleichheit mit Armut und sozialen Spannungen einhergeht. Darum gehen wir in unserer aktuellen Publikation auf die Ursachen für die überzogenen Vorstandsvergütungen ein und erläutern unseren Ansatz in dieser Sache", so Iris Lether.
TIM Publikation "Executive remuneration - Enough is enough"
Das Economic Policy Institute stellte in einer Studie fest, dass die Vergütungen von CEOs in den USA zwischen 1978 und 2020 durchschnittlich um 1.300 Prozent gestiegen sind – während der Lohnanstieg für durchschnittliche Arbeitnehmer:innen auf 18 Prozent begrenzt blieb. Im Schnitt verdienen Firmenchefs heute das 320-fache, im Jahr 1978 war es "nur" das 27-fache. Dazu sagt Iris Lether: "Letztlich liegt es an den Aktionären der börsennotierten Unternehmen, sich damit auseinanderzusetzen. Aber solange ein Unternehmen gute Ergebnisse erwirtschaftet, wird das Thema kaum beachtet."
Mit dieser Art von Einkommensungleichheit beschäftigt sich TIM bereits seit einigen Jahren. Und stimmt häufig gegen hohe Vergütungspakete. Dazu Iris Lether: "In einem Unternehmen zählt am Ende die Gruppenleistung. Genau das ist auch die Philosophie in unserem Wirken. Doch auch aus wirtschaftlicher Sicht sollte man sich fragen, ob der Beitrag des CEO eine extrem hohe Vergütung wirklich rechtfertigt. Und vor allem stellt sich die Frage: Könnte dieses Geld nicht besser eingesetzt werden?"
Eine klare Grenze für den CEO
Für TIM jedenfalls steht fest, dass in einer nachhaltigen und gerechten Gesellschaft extreme Einkommensunterschiede keinen Platz haben. "Die Vergütung des Vorstandsvorsitzenden ist daher eines der Kriterien, die wir bei unserer Aktienauswahl berücksichtigen. Für kleinere börsennotierte Unternehmen legen wir eine Obergrenze von 2,5 Mio. Euro fest, während die größenbereinigte Obergrenze für die größten Unternehmen der Welt bei bis zu 20 Mio. Euro pro Jahr liegen kann. Dieser Ansatz passt sich der Unternehmensgröße an und basiert auf den Durchschnittswerten der letzten fünf Jahre", so Iris Lether. Sie räumt zugleich ein, dass so eine Grenze eine heikle Sache sein kann. Denn ob eine Vergütung überhöht oder gar exzessiv ist, ist von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich. "Das ist genau der Grund, warum die Aktionäre keine Obergrenzen festlegen. Aber wenn sie es nicht tun, wird es niemand tun. Genau deshalb haben wir Grenzwerte festgelegt. Und hoffen, dass andere Akteure unserem Beispiel folgen werden."
Dabei ist die Obergrenze nicht nur eine wilde Vermutung. "Wir halten auf Grundlage unserer internen Untersuchungen und auch vor dem Hintergrund dessen, was wir für ethisch vertretbar halten, ein Gehalt zwischen 1 Mio. und 2,5 Mio. Euro für akzeptabel –- auch mit Blick auf den Fünfjahresdurchschnitt und angepasst an die Unternehmensgröße ", erläutert Iris Lether. Und ergänzt: "Im Rahmen der Untersuchungen haben wir zudem Portfolio und Benchmark bewertet. Das Ergebnis: Rund 13 Prozent der im MSCI World Index vertretenen Unternehmen überschreiten unsere Vergütungsgrenze. Bei unseren Fonds ist dieser Prozentsatz wesentlich geringer und liegt derzeit bei etwa 7 Prozent der Bestände", so die Investmentanalystin.
Auswirkungen auf die Investitionspolitik
Erstmals zum Einsatz kam die neue Vergütungsgrenze während eines Auswahlverfahrens Anfang letzten Jahres. Dazu erklärt TIM Investmentanalyst Fabian Meijs: "Die Vergütungsgrenze ist in unseren Mindeststandards enthalten. Das sind die Kriterien, die ein Unternehmen erfüllen muss, um für eine Investition überhaupt in Frage zu kommen. Dabei gehen wir nach klar definierten Regeln vor. Im ersten Schritt greift die Obergrenzenregel, die wir an die Unternehmensgröße anpassen. Dabei berücksichtigen wir insbesondere Marktwert, Umsatz und Anzahl der Mitarbeiter:innen des Unternehmens. Die Vorstandsvorsitzenden großer Unternehmen dürfen dann bis zum 8-fachen von 2,5 Mio. Euro verdienen, während die Grenze für die Vorstandsvorsitzenden kleinerer Unternehmen deutlich niedriger liegt.
Im nächsten Schritt bewerten wir die Gehaltsverhältnisse. Und fragen: Wie viel mehr verdient der CEO als durchschnittliche Mitarbeiter:innen? Wir legen hier einen Grenzwert von 100 zu 1 zugrunde. Wenn ein Unternehmen diese Hürden nicht nimmt, überprüfen wir seine Vergütungsstruktur gründlich. Auf Grundlage dieser Analyse entscheiden wir schließlich, ob ein Unternehmen für die Aufnahme in unsere Portfolios geeignet ist", so Fabian Meijs. Und fügt hinzu, dass TIM ein Unternehmen, das 2021 aufgrund seines positiven Impacts eigentlich ins Portfolio aufgenommen werden sollte, dann eben doch abgelehnt wurde. Und ein anderes Unternehmen aus dem Portfolio "rausflog", dessen CEO-Vergütung die Standards bei weitem überstieg.
Engagement für in Sachen Vergütungsstruktur
"Wir haben mit sieben Unternehmen Gespräche geführt, die in unserem nachhaltigen Anlageportfolio vertreten sind.", berichtet Fabian Meijs. "In solchen Gesprächen diskutieren wir die gesamte Vergütungsstruktur, nicht nur die Höhe der Vergütung. Wir waren angenehm überrascht, dass Unternehmen überhaupt bereit sind, sich auf dieses Thema einzulassen. Vielleicht auch deshalb, weil überzogene Vergütungen nicht nur schlecht für die Gesellschaft, sondern auch für ein Unternehmen sind. Schließlich kann es überaus demotivierend auf Mitarbeiter:innen wirken, wenn ihr Chef so viel mehr verdient als sie. Ein weiteres Problem ist, dass Boni einen CEO unter Umständen zu kurzsichtigem Handeln verleiten. Insbesondere Aktienoptionen, die Teil der Vergütungspakete sind. Die nämlich stellen aufgrund der potenziell fast unbegrenzten Gewinne eine Verlockung dar und ziehen eine erhöhte Risikobertschaft nach sich.
Was ich in diesem Zusammenhang gerne erwähne: TIM befürwortet auch die Einbeziehung von ESG-Kriterien in die Vergütungspakete. Ein Unternehmen, mit dem wir zusammengearbeitet haben, hat dies dann direkt umgesetzt. Bei den anderen Unternehmen ist unser Engagement noch nicht abgeschlossen."
Doch Fabian Meijs beobachtet, dass sich die Situation in diesem Bereich Stück für Stück verbessert. "Die Unternehmen halten es zwar immer noch für ein schwieriges Thema und geben an, dass sie sich bei der Vergütung an ihren Mitbewerber:innen orientieren müssen. Doch immer häufiger folgen bei den Abstimmungen auf den Hauptversammlungen andere Investoren unserem Beispiel. Insbesondere, wenn es um Goldene Handschläge geht. Leider geschieht das noch nicht so oft wie wir es uns wünschen. Dennoch sehen wir, dass sich die Dinge zwar langsam, aber immerhin in die richtige Richtung bewegen."
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