Mit dem Zug zu reisen, ist nicht nur nachhaltiger, sondern auch entspannend, findet Cindy Ruch. Die Reisejournalistin, Autorin und Fotografin weiß, wovon sie spricht. Sie hat nicht nur selbst unzählige Zugfahrten erlebt, sondern auch für ihren Reiseführer „EUROPA MIT DEM ZUG“ mit vielen Bahnprofis – vom Lokführer bis zur Zugbloggerin – gesprochen. Herausgekommen ist ein wunderbarer Reiseführer, der die schönsten Zugfahrten und Streckennetze von 43 Ländern in Europa beschreibt – und wie man von Deutschland, Österreich und der Schweiz dorthin gelangt. Wir haben mit Cindy über das Zugreisen gesprochen.
 

Cindy, stell dir vor, du bekommst eine Art BahnCard100 für Europa und sollst morgen aufbrechen. Wo fährst du hin und warum?

Ich würde nach Istanbul fahren. Diese Reise hatte ich kurz vor der Pandemie geplant und konnte sie dann leider nicht realisieren. Ich wohne in Berlin und würde von dort den Nachtzug nach Budapest nehmen. In der ungarischen Hauptstadt angekommen, würde ich ein bis zwei Tage bleiben und dann mit dem nächsten Nachtzug weiter nach Bukarest fahren. Von dort aus gibt es im Sommer eine Direktverbindung nach Istanbul.

Das klingt toll. Wie lange würde die Reise etwa dauern?

Die Zugfahrt würde um die 50 Stunden dauern (lacht). Aber ich würde mir die Reise ja aufteilen und viel

Reisehandbuch: Europa mit dem Zug

Schlafzeit im Zug haben. Denn ich kann sehr gut in Zügen schlafen, das habe ich auf einer zweimonatigen Reise quer durch Indien gelernt (lacht).

Eine andere Reise, die ich sehr gerne machen würde, wäre hoch in den Norden nach Lappland zu fahren. Zunächst ginge es mit dem Zug nach Stockholm und von dort aus weiter nach Narvik in Norwegen. Diese Reise würde ich am liebsten in der Winterzeit machen. Mit etwas Glück könnte ich dann Nordlichter sehen. Aber hätte ich dieses Ticket, würde ich wahrscheinlich immer weiterfahren: durch die Slowakei mit Blick auf die Karpaten, in den Süden nach Sizilien oder mit dem Nachtzug nach Lissabon.

Was macht das Reisen mit dem Zug für dich aus?

Ich finde Zugreisen sehr entspannend und freue mich auf die geschenkte Zeit. Ich kann etwas lesen, schreiben, Musik hören oder einfach essen. Jetzt wo ich mit meiner kleinen Tochter unterwegs bin, rede ich noch viel mehr mit anderen Reisenden. Die Zugfahrten sind zwar nicht mehr so entspannt wie davor, aber anders schön, viel sozialer und kommunikativer.

In deinem Reishandbuch findet sich noch mehr als in einem klassischen Reisführer. Was genau?

Zunächst findet man darin Streckennetze und Zugrouten aus 43 Ländern in Europa – und damit einhergehend praktische Informationen wie man beispielsweise von Deutschland mit dem Zug nach Schottland oder Portugal kommt. Wie dort das Zugfahren vor Ort funktioniert und welche Strecken sich lohnen. Gleichzeitig aber finden sich in dem Buch noch viele Geschichten. Freunde der Verleger stellen ihre liebsten Zugreisen vor und berichten von ihren „Abenteuern auf Schienen“.

Hast du selbst auf einer deiner Zugreisen schon oder etwas Überraschendes erlebt?

Überraschend sind eigentlich oft die Begegnungen mit anderen Menschen. Erst letztens traf ich eine Frau über 70. Wir halfen uns gegenseitig beim Umsteigen, sie mit E-Bike, ich mit Kinderwagen, und sie erzählte mir, dass sie mit dem Zug nach Paris unterwegs war, um von dort gen Süden zu radeln. In solchen Gesprächen hole ich mir gern Reiseinspiration. Interessant sind auch oft die Speisewagen in anderen Ländern, die Piroggen auf dem Weg nach Warschau waren überraschend lecker und frisch gekocht.

Du bist Mutter einer kleinen Tochter. Sind die Reisen in deinem Buch auch etwas für Familien?

Auf jeden Fall! Ich selbst fahre seit etwa einem halben Jahr mit meiner Tochter Zug. Unsere erste Fahrt war auch gleich eine Nachtzugfahrt. Und sie lief wirklich gut. Gerade eine Nachtzugfahrt ist doch eine tolle Abenteuerreise für Kinder! Die Kinder können sich im Zug viel besser bewegen als im Auto und besser aus dem Fenster schauen. Ich finde mit dem Zug kann man längere Strecken einfacher mit Kindern zurücklegen als mit dem Auto. In der Schweiz beispielsweise gibt es Abteile für Kinder, die wie ein Dschungelspielplatz gestaltet sind, in Tschechien fährt manchmal ein Kinderkino mit, da werden Märchen gezeigt.

Cindy Ruch

Du sagst, du liebst es mit dem Zug durch den Schwarzwald zu fahren. Was ist so schön am Zugfahren dort?

Für mich ist durch den Schwarzwald zu fahren eine Art nach Hause kommen. Aber abgesehen davon ist es in meinen Augen einfach wunderschön mit dem Zug von Offenburg oder Freiburg in Richtung Donaueschingen durch die Täler dort zu fahren. Je weiter man in den Süden kommt, desto dichter wird der Wald. Insbesondere im Winter ist es traumhaft aus dem Fenster auf die verschneiten Wälder zu sehen. Übrigens: Die Strecke von Freiburg nach Donaueschingen ist die steilste Bahnstrecke Deutschlands.

Die Autorin

Cindy Ruch erzählt Geschichten von Reisen, Orten und Büchern. Sie ist Reisejournalistin, Autorin und Fotografin und studierte Internationale Literaturen in Tübingen und Brisbane. Seit 2015 ist sie in Berlin zu Hause, von wo sie regelmäßig zu neuen Zielen aufbricht. Am liebsten fährt sie dann mit dem Zug durch den Schwarzwald, isst Piroggen im Speisewagen nach Warschau oder kommt in Venedig Bahnhof an. Immer dabei: länderpassende Literatur, ein Tagebuch und ihre Canon A1.

Der Verlag

2018 gründeten Marianna Hillmer und Johannes Klaus den Reisedepeschen Verlag für Bücher mit Leidenschaft. Zum schöneren Entdecken, intensiverem Reisen, darin Versinken. Nach dem Prinzip Digital Detox versuchen sie keine Inhalte zu schaffen, die den Leser nötigen direkt zum Smartphone zu greifen. Sie wollen zum bewussten und nachhaltigen Reisen anregen.

Marianna Hillmer und Johannes Klaus sind mit ihrem Verlag Geschäftskund:innen der Triodos Bank.