Eine Gemeinschaft aus 11 Organisationen, die sich seit vielen Jahren der sozialökologischen Nachhaltigkeit verschreiben, haben eine gemeinsame Stellungnahme zur EBA “Konsultation zur Integration von ESG-Faktoren und ESG-Risiken“ abgegeben. Die Europäische Bankenaufsicht hatte mittels einer Konsultationsphase zur Kommentierung des Diskussionspapiers aufgerufen.

In dem Entwurf der EBA finden sich eindringliche Worte zur Notwendigkeit einer Integration von Nachhaltigkeitsrisiken in das Risikomanagement von Finanzinstituten. Gemeinsam Stellung bezogen hatten unter Leitung der GLS Bank unter anderem die Bank für Sozialwirtschaft, die Economists for Future, Ethikbank, Hannoversche Kassen, Pax-Bank, Scientists4Future Bochum, Shareholders for Change, Triodos Bank & die UmweltBank.

„Das EBA Papier verdeutlicht einmal mehr, wie sehr wir die vermeintlich normativen Aspekte der Nachhaltigkeit endlich als faktische Herausforderungen der langfristigen Finanz- und Wirtschaftsstabilität verstehen müssen“. In der gemeinsamen Stellungnahme honorieren die Unterzeichnerinnen denn auch diesen „mutigen, wenngleich längst überfälligen Schritt.“ Die wissenschaftlichen Erkenntnisse und realwirtschaftlichen Folgewirkungen von Nachhaltigkeitsrisiken in Bezug auf ökomische Risiko-Chancen-Profile und Kosten seien prävalent und nicht mehr zu übersehen.

Das Momentum nutzen


„Die EBA beschreibt in ihrem Diskussionspapier die zentrale Bedeutung politischer Entwicklungen für die Ableitung transitorischer Transformationsbedarfe und - in Folge - Chancen- und Risiken in Bezug auf Nachhaltigkeitsperspektiven. In der weiteren Detaillierung von etwaigen Nachhaltigkeitsrisiken ist es dringend anzuraten, die zentrale Stabilisierungsfunktion des Finanz- und Kapitalmarkts in Bezug auf gesamtwirtschaftliche Zusammenhänge präzise zu definieren“, so der Wortlaut des Konsultationsbeitrags.

Die Unterzeichner*innen betonen somit, „ohne eine klare, eindeutige Definition dieser Stabilisierungsfunktion werden benötigte Informationen nur unzureichend verfügbar und somit die Mobilisierung von Kapitalströmen für die Erreichung der gewünschten Stabilisierung nicht ausreichend unterstützt.“ Denn die Frage der Stabilisierung unseres bisher gelebten Wirtschaftssystems bewegt vor allem auch die Frage der Zukunftsfähigkeit der etablierten Wirtschaftsnarrative. So müssen wir uns fragen, ob die „kausalen Zusammenhänge zwischen einzelnen Treibern von Nachhaltigkeitsrisiken wie z.B. Klimawandel, Hungersnöten, politischen Krisen, Migrationsdruck und der verschwenderischen Nutzung der Naturgrundlage“, nicht zu einer zentralen Frage unserer Zeit werden, nämlich der Frage: “Wie wollen wir leben, für was wollen wir einstehen und was brauchst es, um das zu erreichen?!“


„Neben der Multidimensionalität und den Interdependenzen einzelner Risikotreiber ist bei der Entwicklung von Szenariomodellen auf die verkürzte Nutzungsmöglichkeit historischer Daten zu verweisen, da die methodische und datenbasierte Übersetzung von zukunftsgerichteten Annahmen auf heutige Steuerungsoptionen auf einer Extrapolation wissenschaftsbasierter Erkenntnisse (faktische Transformation) und anzunehmender gesellschaftspolitischer Entwicklungen (normative Transformationsherausforderungen) basiert, die signifikanten Ungenauigkeiten unterliegt.“

Schäden könnten sich bei Fortschreibung der gegenwärtigen Entwicklung nach jüngeren Modellrechnungen auf weltweit bis zu US$ 550 Billionen summieren.

Aber bei aller Theorie ist auch klar, „die atmosphärischen Konzentrationen von Kohlendioxid, Methan und
Stickstoffoxid sind so hoch wie seit mindestens 800.000 Jahren nicht mehr, ein Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur um etwa 1,0°C gegenüber dem vorindustriellen Niveau ist bereits jetzt Realität, fortgesetzte Treibhausgasemissionen werden eine weitere Erwärmung und langanhaltende Veränderungen im gesamten Klimasystem auslösen, die Wahrscheinlichkeit von schweren, allgegenwärtigen und unumkehrbaren Folgen für Menschen und Ökosysteme erhöht sich dramatisch.“ Nur richtig also, dass EBA & BaFin auf die volks- und betriebswirtschaftlichen Risiken dieser Entwicklung verweist: „Schäden könnten sich bei Fortschreibung der gegenwärtigen Entwicklung nach jüngeren Modellrechnungen auf weltweit bis zu US$ 550 Billionen summieren.“

Rolle der Aufsichtsbehörden

In ihren Rollen als Aufsicht mit dem primären Ziel ein funktionsfähiges, stabiles und integres Finanzsystem zu gewährleisten müssen die Finanzaufsichtsbehörden ihren Aufgaben auch in Bezug auf Nachhaltigkeitsrisiken nachkommen und stoßen mit den Diskussionspapieren hoffentlich ein schnelles Umdenken in der Finanzbranche an, das sich bisher eher zögerlich und mit teils fragwürdigen Maßnahmen und Zielen der Nachhaltigkeit verschreibt.

„Am wahrscheinlichsten erscheint aktuell eine Erwärmung um 3-4°C bis zum Ende des Jahrhunderts, wobei auch ein 5°C-Szenario mit katastrophalen Folgen nicht ausgeschlossen ist“, so ein Textabschnitt im Merkblatt der BaFin. „Die Zeit für Ausreden ist längst vorbei“, so die Unterzeichner*innen des Konsultationsbeitrags.

Worauf es jetzt ankommt

Umso wichtiger also, dass das Ansinnen der EBA von Markakteuren konstruktiv aber auch kritisch begleitet wird. Die Unterzeichner*innen der Stellungnahme regen vor allem an, bei der Risikoabwägung dringlich auch vermeintlich radikale Chancenperspektiven einzubeziehen. Denn nur wer sich den tatsächlichen Anpassungsbedarfen unserer bisherigen Wirtschaftsweise bewusst ist, kann auch entsprechende Chancen & Risiken identifizieren und eine Abkehr vom „weiter so“ einleiten.

Ferner stellen die Unterzeichner*innen heraus, dass die Diskussionen verstärkt in Richtung einer Internalisierung externer Kosten und somit auch in Richtung eines Budgetdenkens in Bezug auf Ökosystemleistungen gehen muss. Das bedeutet, dass Wirtschaftssysteme nur innerhalb der planetarischen Leitplanken gedacht werden können, die eine Regeneration der Ökosysteme erlaubt und so sozialen Brüche und Konflikte vermeidet. Zu die-sem Punkt führen die Autor*innen der Stellungnahme ergänzend an, dass die Interdependenzen von ökologischen und sozialen Risiken stärker hervorgehoben werden müssen:
„Wenn Ökosysteme keinen Beitrag mehr zum Erhalt menschlichen Lebens leisten können, werden Gebiete verwaisen, Migrationsbewegungen entstehen, Wirtschaftssysteme schrumpfen (auch durch Landentwertungen) oder einbrechen und der Druck auf noch “lebenswerte” Geografien deutlich zunehmen. Nur durch das konsequente Internalisieren dieser externen Kosten durch eine verbindliche Berücksichtigung von wesentlichen und zukunftsorientierten Nachhaltigkeitsparametern im Risikomanagement und in den Unternehmensstrategie kann ein ambitionierter Beitrag für die Transformation der Finanzwirtschaft in Richtung Nachhaltigkeit geleistet werden“, so die Unterzeichner*innen.

Aber die Unterzeichner*innen geben auch zu bedenken, dass die Integration von Nachhaltigkeitsrisiken eine intensive Auseinandersetzung mit dem derzeitigen Geschäftsmodell von Banken erfordert. Diese Transformationsprozesse sollten durch die Aufsicht positiv begleitet und nicht erschwert oder verhindert werden. „Ein Balanceakt also, der intensiven Austausch und neue Formen der Zusammenarbeit benötigt, um die notwendige Kraft zu entwickeln.“

Neue Formen der Zusammenarbeit für den gemeinsamen Erfolg

So verweisen die Unterzeichner*innen in ihrem Abschlussplädoyer auf ihre langjährige Erfahrung in der Identifikation, Steuerung und Berichterstattung zu Nachhaltigkeitsrisiken und -chancen und bieten allen interessierten Akteuren Austausch, Know-How und Beratung für die weiteren Schritte an. Durch ihre Aktivitäten in der Global Alliance for Banking on Values (GABV), den Shareholders for Change, der UNPRB, UNPRI, FNG und zahlreichen weiteren Netzwerken und Partnerschaften können die Unterzeichner „sinnstiftend zum Ansinnen des Diskussionspapiers und Erfolg des Ansatzes beitragen.“