Es steht außer Frage, dass die Kapitalströme immer schneller in den Aufbau einer nachhaltigeren Gesellschaft gelenkt werden müssen. Und dabei geht es nicht nur um den Klimawandel. Es gibt noch weitere Herausforderungen im Bereich der Nachhaltigkeit, die vom Verlust der biologischen Vielfalt über die Gefahr weiterer Pandemien bis hin zu wachsender Ungleichheit reichen. Glücklicherweise wächst bei den Anlegerinnen und Anlegern das Bewusstsein, dass Nachhaltigkeit ein wichtiges Element bei jeder Anlageentscheidung ist. Was die vielen verschiedenen Ansätze für nachhaltige Investitionen jedoch gemeinsam haben, ist, dass sie nicht zukunftsorientiert sind.

Sieht man einmal von den spekulativsten Ansätzen ab, so ist das traditionelle nachhaltige Investieren letztlich kein besonders ausgeklügelter Ansatz: Die Finanzinstrumente und Investitionsanalysen mögen zwar sehr ausgeklügelt aussehen, aber die Anliegen der Anleger:innen gehen letztlich nicht über das Streben nach kurzfristigen, "angemessenen", risikobereinigten Finanzerträgen hinaus. Nachhaltigkeitsbelange werden lediglich in kurzfristige finanzielle Risiken umgesetzt. Während Impact Investing immer noch unter den Renditeerwartungen des Marktes operiert, werden bei Impact Investing Risiken und Renditen aktiv gegeneinander abgewogen, mit der Absicht, heute für einen langfristigen, positiven Wandel zu investieren.

Nachhaltigkeitsprobleme sind komplex

Es ist wichtig zu betonen, dass die Märkte und das private Kapital im Wesentlichen wertfrei sind: Sie suchen nach den höchsten kurzfristigen risikobereinigten Renditen und reagieren auf diese Weise auf die Anforderungen der Kundinnen und Kunden. Und wenn alle Kund:innen nur nachhaltige Produkte bevorzugen würden, die zur Lösung der dringendsten Probleme unserer Zeit beitragen, würde das sehr effizient funktionieren. Der Markt wird das Kapital diesen Lösungen zuweisen. Aber so funktioniert es leider nicht. Nachhaltigkeitsprobleme sind komplex, in ihrem Kern langfristig und unsicher. Wir leben in einer volatilen, unsicheren, komplexen und mehrdeutigen Welt, in der die meisten Anleger:innen die Auswirkungen ihrer Investitionen nicht überblicken können.

Als zweitbeste Lösung suchen sie nach Anlagen mit der höchsten Rendite, insbesondere in einem Niedrigzinsumfeld. Wenn diese zukunftsträchtig sind, umso besser. Aber wenn es sich um Kryptowährungen handelt, ist das auch in Ordnung. Natürlich gilt das nicht für alle, aber es sind zu wenige, um die Märkte im Allgemeinen zu beeinflussen. Das Zuckerbrot, das die Märkte antreibt, die Nachfrage der Verbraucher:innen reicht also nicht aus, um nachhaltige Ergebnisse zu erzielen.

Regulierung als Peitsche

Wir brauchen also auch eine Peitsche, um die Märkte in eine nachhaltigere Richtung zu lenken. Sie trägt den Namen Regulierung. Und der heroische Versuch der Europäischen Union, die Märkte nachhaltiger zu gestalten, ist dringend notwendig. Die Verordnung über die Offenlegung nachhaltiger Finanzinstrumente (Sustainable Finance Disclosure Regulation - SFDR) ist die Regulierungsmaßnahme der Europäischen Union zur Förderung von Investitionen in eine nachhaltige Entwicklung.

Die Sprache, die auf den Märkten vorherrscht, ist die Sprache des Risikos. Deshalb wird in der Nachhaltigkeitsverordnung die Nachhaltigkeit nur als Risiko beschrieben: Nicht nachhaltig zu sein, ist ein Risiko für die (finanzielle) Rendite von Investitionen. Aus diesem Grund müssen Investor:innen ihr Engagement offenlegen und einen Einblick in die möglichen direkten und indirekten Auswirkungen beispielsweise des Klimawandels geben: Wie hoch ist das (finanzielle) Risiko von Überschwemmungen und welche finanziellen Auswirkungen hat es, wenn der Sektor der fossilen Brennstoffe zu einem Stranded Asset wird?

Dies funktioniert nur teilweise. Das Wissen um die wesentlichen finanziellen Risiken der Nicht-Nachhaltigkeit schärft das Bewusstsein der Investorinnen und Investoren und ihrer Kunden dafür, wie sie ihr Kapital optimal einsetzen können. Dies ist jedoch nicht ausreichend. Der wichtige Unterschied zu wirklich nachhaltigem Anlegern ist die Absicht, mit der Anlageentscheidungen getroffen werden. Diese Absicht sollte sich in Anlageentscheidungen niederschlagen, die auf Impact-Risk-Return-Aspekten basieren. Ohne Berücksichtigung der (positiven und negativen) Auswirkungen bleibt das alte Risiko-Rendite-Schema bestehen. Glücklicherweise ist das auch die Meinung der EU-Regulierung. 

Dennoch gibt es noch einige Probleme mit der Regulierung. Erstens konzentriert sie sich hauptsächlich auf den Klimawandel. Und obwohl das wichtig ist, geht es bei der Nachhaltigkeit um weit mehr als das; der Verlust der biologischen Vielfalt ist ein ebenso dringendes Problem. Zweitens ist die Regulierung unausgewogen. Sie fokussiert sich darauf zu zeigen, was nachhaltig ist. Es ist aber wichtiger, aufzuzeigen, was nicht nachhaltig ist. Die Anleger:innen müssen sich bewusst sein, welcher Schaden in ihrem Namen angerichtet wird. Und drittens sind ESG- und Wirkungsmetriken allesamt rückwärtsgewandt.

Wie sollte also das Zuckerbrot aussehen? Erstens müssen wir unbedingt mehr Vorschriften für den nicht nachhaltigen Teil erlassen. Nicht-Nachhaltigkeit muss sichtbar werden. Zweitens brauchen wir eine vorausschauende Regulierung. Nicht nur auf der Grundlage von Daten darüber, was gut oder nicht gut ist, sondern auch durch die Verpflichtung, dass Vermögensverwalter sich zu zukunftsorientierten Zielen bekennen und diese von Unternehmen einfordern. Etwa so:  Wann werden sie Netto-Null-Emissionen erreichen, was sind ihre Ziele in Bezug auf Kreislaufwirtschaft und Diversität im Vorstand? Vorausschauende Ambitionen treiben die Märkte an und helfen den Kund:innen, die beabsichtigten Auswirkungen von Produkten zu beurteilen. Das ist das Zuckerbrot, das wir brauchen: einen klaren Beitrag zu einer nachhaltigeren Welt.